Table.Forum

FLEX:Unit – Verwaltungsorganisation weiter denken

von Christian Zierau

Wer erinnert sich noch an das Cluetrain-Manifest aus dem Jahr 1999? Damals hat mich die These 50 fasziniert: „Heutzutage sind Organigramme mit Hyperlinks versehen - nicht hierarchisch. Respekt für pragmatisches Wissen gewinnt gegenüber dem Respekt für abstrakte Autorität.“ Beeindruckt pinnte ich diese Thesen an meinem Arbeitsplatz im Rathaus Spandau in die Wand. Jedoch leisteten Stein und Hardenberg Anfang des 19. Jahrhunderts ganze Arbeit und schufen einen überdauernden Staats- und Verwaltungsaufbau, der bis heute, auf ein - für die beiden Ikonen sicher kaum vorstellbares - überbordendes Maß ausgewachsen ist. Verwaltungsreform ist kein einfaches Handwerk.  

Aber es muss sich einiges ändern, denn dieser klassische Verwaltungsaufbau kann heute nur noch mit äußerster Mühe den Auswirkungen der fortgesetzten Krisen und Herausforderungen trotzen. Einsetzende Dysfunktionalität in Teilbereichen hat negative Auswirkungen auf die Akzeptanz staatlicher Leistungen und letztendlich unsere Demokratie. Nur die Gegenwart in die Zukunft fortzuschreiben und Mehr desselben zu fordern wird genauso nicht länger aufgehen wie Probleme auszusitzen oder mit Personalmangel zu verklären. Vielmehr sollte eine moderne Verwaltung in mehreren Dimensionen gleichzeitig organisiert werden. Dies erfordert ein neues Zusammenspiel, das auf Kollaboration, wertorientiertem Führungsstil und selbstbestimmten Teams basiert. Auch braucht es, wenn z.B. durch öffentlichen Fokus Druck entsteht, insbesondere den Mut von Führungskräften neue Wege zu gehen, statt in den regelhaft einsetzenden Reflex des Absicherungsdenkens zu verfallen.  

Mit der FLEX:Unit hat die Landeshauptstadt Kiel nicht nur einen Impuls gesetzt, sondern in die bestehenden Strukturen hinein diese Dimensionen kreiert und praktisch umgesetzt. Insbesondere der einfache Aufbau mit einer Tandem-Programmsteuerung, Führungs-, Einsatz- und Spezialteams und einer standardisierten Einsatzzeit (3,6 oder 9 Monate) überzeugen. Mittlerweile ist ein „Best-Practice-Beispiel" im Umgang mit Überlasten, Bearbeitungsstaus und Teams im Krisenmodus live und vor allem innerhalb der eigenen Verwaltung mit Reputation versehen.  

Die FLEX:Unit steht für: 

  • wirksame Bewältigung temporärer Überlastungen und Support von Teams durch schnelle Bereitstellung von universell einsatzfähigen Führungskräften wie Mitarbeitenden. 

  • lebendiges Recruiting, das junge wie erfahrene Talente in einem überdurchschnittlichen Maße anspricht und eine neue Dimension von Ein-, Um- oder Aufstieg unabhängig von fachlicher Expertise schafft.  

  • individueller Karriere-Booster für Menschen, die sich bewegen und weiter entwickeln wollen. Insbesondere fühlen sich auch erfahrene Führungskräfte angesprochen. 

Wie geht es jetzt mit dieser Super-Group weiter, was entstehen für Möglichkeiten? Solange Dynamik, Unsicherheit und Wandel Konjunktur haben, werden Flexibilität, interoperable Teams und verfügbare Ressourcen genau die richtige Antwort sein.  

Daran arbeiten wir: 

  • Vorbereitung von Einsatzteams und Führungskräften für Krisenreaktion im Kontext von Sicherheits- und Bedrohungslagen, um im Ernstfall Einheiten zentral zu aktivieren und als leistungsfähiges wie eingespieltes Team in kürzester Frist zusammenzuziehen. 

  • Stärkerer Fokus auf Innovation und Transformation, um Teams nicht nur temporär aus der Krise zu helfen, sondern Wandel möglichst dauerhaft zu verankern.  

  • Verzahnung mit klassischer Ausbildung und Aufstieg, den entwickelten Fachkarrieren und dem Trainee-Programm für Quereinsteigende, um insbesondere Young Professionals im öffentlichen Dienst universell zu befähigen. 

  • Im Angesicht des demographischen Wandels können erfahrene Kolleg*innen in Pension oder Rente tageweise die Teams unterstützen und einen wertvollen Beitrag leisten. Während die Stammbesatzung auch remote wirksam ist, wollen Babyboomer vor Ort Gemeinschaft und Ergebnisse erleben. 

Und wenn wir schon dabei sind in den umfangreichen Strategie-Ordner "wie ModerneVerwaltung weitergehen könnte" zu blicken, sind alle eingeladen weiter zu denken: 

  • Ein FLEX:Port als interkommunale oder noch weitergehende Zusammenarbeit hat das Potential die Netzwerkkommune so richtig lebendig zu machen.  

  • Kleine flexible Zellen (FLEX:Z) in den einzelnen Ämtern und Organisationseinheiten stärken die dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung, um Überlasten direkt zu begegnen.  

Die FLEX:Unit schafft funktionierende Hyperlinks im Organigramm der Landeshauptstadt Kiel. Und ich bin sicher, da geht noch mehr.  

Autor: Christian Zierau ist Stadtrat und Kämmerer der Stadt Kiel.

Verwaltungsinnovation entscheidet mit über die Zukunftsfähigkeit unseres Landes: über eine leistungsfähigere Verwaltung, eine resilientere Wirtschaft und ein besseres Leben für alle Bürgerinnen und Bürger. In diesem Table.Forum diskutieren Fachleute aus Verwaltung, Wissenschaft und Politik, wie der öffentliche Sektor effizienter, bürgernäher und vertrauensstiftender gestaltet werden kann – strategisch, pragmatisch und im richtigen Tempo.

Unser Partner: Das Creative Bureaucracy Festival ist eine internationale Plattform für Verwaltungspioniere und wird von der Falling Walls Foundation gemeinsam mit PD – Berater der öffentlichen Hand ausgerichtet. Jedes Jahr bringt es rund 2.000 Teilnehmende aus der öffentlichen Verwaltung zusammen und zeigt, wie innovative Projekte echten gesellschaftlichen Mehrwert schaffen.

Impressum

Table.Forum ist ein Angebot von Table.Briefings
Leitung: Regine Kreitz (v.i.S.v. § 18 Abs. 2 MStV)
Table Media GmbH, Wöhlertstraße 12-13, 10115 Berlin · Deutschland,
Telefon +49 30 30 809 520
Amtsgericht Charlottenburg HRB 212399B, USt.-ID DE815849087
Geschäftsführer Dr. Thomas Feinen, Jochen Beutgen